Grimmgrass'sche Verbrüderung

Der Behlendorfer Nachbar Günter Grass schreibt eine Liebeserklärung wegen der Brüder Grimm - an die deutsche Sprache

2 plus 1

Fünf Brüder waren die Grimms. Zwei von ihnen, Jacob und Wilhelm, waren für unsere Kultur Gold wert. Sie haben unsere Märchen gesammelt - nicht nur das: Sie haben das "Deutsche Wörterbuch" herausgegeben. Was bedeutet ein Wort, wo kommt es her, was sind typische Redewendungen - ein unschätzbarer Wert, bei Kennern als Facsimile im Regal und digital zum Alltagsgebrauch im Computer. Die beiden Brüder (Jacob weltgewandter Diplomat, Wilhelm erzählsicherer

Familienvater und Literaturfreund) lebten zusammen, Arbeitszimmer an Arbeitszimmer, mit Stationen in Göttingen und Berlin.

Superredewendung "es war einmal" in Behlendorf

Schon der " Behlendorf-Start" des autobiografischen Buches "Die Box" beginnt mit der Grimmschen Superwendung aus drei Worten plus Grass als Vater "es war einmal ein Vater, der rief, weil alt geworden, seine Söhne und Töchter zusammen". Weitere Parallele: Die Premiere des Buches "Unterwegs von Deutschland nach Deutschland" war am Grass'schen Verlagsort Göttingen, eingeladen von der früheren Revoluzzertruppe AStA der Uni und durch ein Rotweinmalheur beim Lesen unvergesslich. Und auch in Berlin lebte Grass lange, und hier war vor allem die bedeutende Literaturlesung in der Skylobby des neuen Berliner Axel-Schultes-Bundeskanzleramtes, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einem Glas Rotwein hinter dem Vortragenden herlief, hinter Günter Grass.

Die Verbrüderung der Zeit

Vielleicht gelingt es Grass auch diesmal, "trotz Kritik" zu überzeugen: Jedenfalls hat er ganz sicher in mindestens einem Fall mit seinen Werken zum Kauf des Grimmschen Wörterbuches animiert. Sein Buch spielt mit dem Alter. In Günter Grass lust- und kunstvollem Spiel mit Buchstaben und Wörtern sitzt Grass selbst bei einer Rede von Jacob Grimm auf Wilhelm im Publikum. Eine Zeitverbrüderung des Grimmschen 19. Jahrhunderts, des 20. Jahrhunderts (Grass: "Mein Jahrhundert") und des heutigen Lesers im 21. Jahrhundert. Thema der Rede "Über das Alter".